Gefühle ohne Punkt und Komma, Bilder, Gedanken – gleich beim
ersten Lesen wurde ich auf fast die gleiche Weise atemlos. Die
Texte zogen mich hinein in Situationen, die erstmal gar nicht
leicht zu nehmen sind.
Warum auch. Es geht um Krankheit. Um das Sterben. Den Tod.
Um den Umgang damit. Um das Helfen, das nicht helfen können.
Das Erinnern, das Vergessen. Und das alles ohne Pathos. Mit
Gefühl. Mitgefühl. Dem Versuch der Distanz. Durch Sprache.
Durch Humor. Durch Zuspitzung. Großartig ist da etwas beschrieben,
was uns alle betrifft. Nein, nicht beschrieben, erlebt.
„Philosophieren heißt sterben lernen“ heißt der berühmteste
Essay des Philosophen Michel de Montaigne (1533–1592). Er
sagt einem, dass man quasi die Pflicht hat, hinzuschauen, wenn
jemand stirbt. Nicht weg zu rennen vor dem Tod und dem damit
verbundenen Gefühl der Hilflosigkeit. Der Angst. Denn es ist ja
der Weg für uns alle. Je mehr man den Tod hineinlässt in das
Leben, umso mehr, und umso richtiger lebt man. Auch, weil man
weniger Angst hat. Das habe ich selbst erfahren.
Als ich in meinem Leben plötzlich mit Krankheit und Tod
konfrontiert wurde, habe ich spontan ein Gedicht geschrieben.
Von dem ich erst gar nicht wusste, dass es eins war. Aber ich
empfand die Worte, die da auf einmal auf dem Papier standen,
als tröstlich.
Weil Texte eben auch trösten können. Der Dichter Robert Gernhardt
hat sein eigenes Sterben an Krebs mit dem Schreiben von
Gedichten begleitet. Als ich damals diese „K Gedichte“ gelesen
habe, empfand ich sie als tröstlich, auch weil ich beim Lesen
manchmal lachen konnte. Und ich war dankbar, dass Gernhardt
diesem doch so schweren Thema eine Form gegeben und einem
dadurch einen leichteren Zugang ermöglicht hatte.
Die Texte von Julia Weber sind natürlich ganz anders. Sie hat einen
wunderbar eigenen Stil gefunden, der ihre Gedichte so persönlich
und ehrlich macht. Und ich bin auch ihr dankbar, dass sie mich
mitnimmt in eine Welt, die auf den ersten Blick so weit weg
erscheint und doch immer so nah ist.
„Alle Tage sind zum Tode unterwegs, der letzte – er langt an.”
(Montaigne)
Helmfried Graf von Lüttichau - Schauspieler und Lyriker